Ich bin ein Wanderer geworden! Das Warten und das Wandern sowie die Zeit haben eine andere Bedeutung erhalten. Ich muss nicht jeden Tag dasselbe tun, ich habe keine Aufgaben zu verrichten oder zu erledigen. Meine Zeit steht mir zur Verfügung, um nach Santiago zu gehen. Die Zeit bekommt eine andere Qualität. Es ist möglich, das Leben zu geniesen. Der Camino entscheidet alles. Er hat begonnen und wird niemals enden. Es ist eine Art unsichtbarer Motor, der die Wanderer vorwärts treibt, Tag für Tag immer wieder einen Fuss vor den anderen zu setzen. Der Camino ist wie das Leben. Freude, Ärger, Erlösung vom Schmerz, Befreiung. Auf nach neuen Ufern mit neuen Zielen! Eine Phantasiewanderung genügt mir nicht mehr; ich brauche eine reale, echte Wanderung. Ich muss die Härte in meinem Inneren aufbrechen und muss das lange Schweigen wagen, in dem ich wandere, nach Santiago gehe.
Nirgendwo habe ich von der Trägheit des Schmerzes gelesen oder gehört. Es sind die kleinen Dinge, die zu einer Last geworden sind. Ich bin müde, sehr müde! Warum ist alles so schwerfällig geworden; diese grenzenlose Melancholie, die mich überkommt?
Leben…Dankbar, bewusst, friedvoll, und gelöst. So waren meine letzten Tage auf dem Camino. Das Leben ist im Begriff, neu zu beginnen.
Ich habe mal wo gelesen, dass am Anfang der Wanderung eine Verletzung steht, und der Wanderer nach neuen Wegen suchen wird, und diese auch heilen wird. Wer sich zu Fuss auf die Wanderung begibt, entscheidet sich, auf einem guten Weg ans Ziel zu gelangen. Seine Bewegung setzt ihn in Gang, „die nie wieder enden wird“.
Der Camino ist beim ersten Mal ein „echtes Fremdsein“, zu Fuss und allein und in tiefer Ehrfurcht vor den jeweils eigenen Orten, Zeiten und Rhythmen des Gehens. Ich fühle mich seit meiner Rückkehr, dass ich irgendwann ein zweite Mal den Camino gehen werden, mit anderen Augen, mit anderen Gefühlen und mit einer anderen Aufmerksamkeit. Ich könnte sofort wieder loslaufen, endlos weiterlaufen.