Mein Weg eine Flucht…

Mein „Weg“ ähnelt einer Flucht. Der Camino ist auch vielleicht aus diesem unbestimmten, aber zwingenden Bedürfnis heraus entstanden: dem Befürfnis aufzubrechen, loszulassen, ein neues Kapitel aufzuschlagen, indem ich weit weggehe, an einen Ort, wo mich niemand kennt und wo ich die Möglichkeit habe, an nichts und niemanden zu denken, niemanden und über nichts Rechenschaft zu geben. Immer wieder passiert es, dass ich mich müde und fremd fühle, aber unerklärlich glücklich. Nicht friedlich oder zufrieden, ein Stück weit ab und an auch, aber täglich mehr werdend: glücklich. Das Neue und Unverhoffte täglich zu entdecken ist spannend. Eine Herausforderung, immer, jede wache Minute. Schön spannend.

Hinter jeder Kurve hat die Natur ein anderes Gesicht. Ich spüre das Gefühl der Dankbarkeit: „All dies ist für mich.“ Alles was ich sehe, was ich spüre, was ich rieche, habe ich nicht gemacht, aber ich bekomme es geschenkt. Ich gehöre dazu, wir alle gehören dazu.

Eine schöne Reise; wenn sie zu Ende geht, ist nichts mehr wie es mal war.

frei nach Schillers Weltreise „ein schöner Tag“
Der Camino besteht aus Begegnungen. Auf dem Camino ist die Stille nicht länger eine dunkle und unangenehme Leere, die gewaltsam mit irgend etwas gefüllt werden muss. Die Stille ist zu einer Art Teppich geworden, auf dem man sich bewegt. Einen Großteil der Zeit verbringe ich schweigend. Teilweise ist der Weg anstrengend, dass er keine Gespräch duldet, mit denen man nur seinen Atem verschwendet. Die Dialoge finden im Inneren statt, Gedankenkunststücke ohne roten Faden, ohne Schlussfolgerungen. Vermutlich die Folge des Schweigens, dass dieses innere Plappern hervorbringt. Strapazen des Weges werden davon abgestoßen…

Nie werden die Augen satt, wenn es beobachtet, wie Blumen, Felder und Hügel, Licht, Menschen und Ortschaften kommen und gehen. Ein Sehen, das niemals langweilig wird. Als ob der Geist langsam wieder zu Atem käme. All dies fliesst ein in den langsamen Rhythmus der Schritte und gehört schliesslich mir.

via Francigena

Jetzt, fast über vier Wochen nach dem Camino Frances, habe ich mir ein neues Projekt in den Kopf gesetzt. Ich habe es mit German aus Barcelona schon an einer Landkarte in Pedrouzo (die letzte Herberge vor Santiago) besprochen: Warum nicht die Via Francigena nach Rom laufen? Bis dato habe ich mich noch nicht intensiver mit diesem Gedanken auseinandergesetzt, dies hier ist auch der aktuell einzige Link dazu, den ich mir notiert habe…

La Via Francigena

http://www.eurovia.tv/home/content/category/7/19/145/lang,de/

Eigene Publikationen


http://www.via-francigena.com/2007/11/11/ein-gutes-interview-uber-pilgern/
http://www.via-francigena.com/2007/11/10/kartenmaterial-fur-den-via-francigena/
http://www.via-francigena.com/2008/03/26/filminterviews-mit-pilgern-am-via-francigena-video/

Pilgerweg


http://de.wikipedia.org/wiki/Via_francigena

http://www.jakobus-info.de/compostela/2000-italien.htm

Auszug aus o.g. Website…sollte sie sich mal ändern oder nicht mehr online sein, als Gedächtnisstütze…

Die Via Francigena war und ist eine Pilgerweg von der Abtei von Canterbury quer durch ganz Europa bis nach Rom. Wir sind auf diesem Weg in Richtung Rom gepilgert. Gestartet sind wir in Kloster Einsiedeln in der Schweiz. Zu Beginn sind wir auf vertrauten Wegen gegangen, nämlich auf dem Jakobsweg von Einsiedeln nach Schwyz. Danach haben wir neue Wege beschritten und die Herausforderung angenommen, die Alpen am St. Gotthard-Pass zu überqueren. Über die Strada Alta sind wir an den Lago Maggiore gelangt. Vorbei an riesigen Reisfeldern, sind wir in Garlasco auf die alte Pilgerstraße Via Francigena gestoßen.  

Die Pilger im Mittelalter waren sicherlich einer großen Anzahl von Gefahren ausgesetzt. Aber die Gefahren der Neuzeit  sind nicht kleiner, denn aus dem Pilgerweg des 8.Jh. ist inzwischen eine stark befahrene Schnellstraße geworden. Die „Via Francigena“ ist zwar ein alter Pilgerweg und auch zum „Europäischen Kulturweg“ erklärt worden, kann aber in keinsterweise mit dem „Camino“ verglichen werden. Die Tradition des Fußpilgerns ist in Italien kaum verbreitet. In jüngster Zeit werden kleine Teilabschnitte für Fußgänger gekennzeichnet. Wie es für uns den Anschein hatte von Menschen, die noch nie im Leben weite Wege zu Fuß gegangen sind und daher nicht ahnen, dass ein Pilger ein Fernziel hat. Er will nicht unbedingt durch jedes tiefe Tal gehen, oder jeden Berggipfel am Wegesrand erklimmen.

Wir sind den alten Aufzeichnungen folgend, den originalen Pilgerweg gegangen und haben uns nicht von den Richtungspfeilen mit der Aufschrift „Via Francigena“ vom kürzesten Weg abbringen lassen. Auf dem weiteren Weg in Richtung Rom kamen wir durch die Ortschaften: Pavia, Piacenza, Fiorenzuola und Fornovo. Hinter Fornovo begann, bei 35° und mehr, der Aufstieg zum Cisa-Pass an dem wir den für uns höchsten Punkt der Apenninen erreichten. Nach vier Tagesetappen waren wir an der Riviera. Die Ortschaften Viareggio, Lucca, Altopascio, San Miniato, Castelfiorentino und Poggibonsi reihten sich wie eine Perlenschnur entlang des Weges, bis wir nach 859 Km in 33 Tagen unser Ziel für dieses Jahr erreichten.      –  SIENA  – der Geburtsort der Hl. Katharina.

Danken wollen wir, dass wir den Weg gehen konnten, danken für die uns zugekommene Hilfe, für das ideale Wetter, für das oft große Glück bei der Herbergssuche und dafür dass wir gesund angekommen sind. Beim Abschied von der Via Francigena in Siena stand für uns fest: Im nächsten Jahr setzen wir unseren Weg nach Rom über Assisi zum Grab des Apostels Petrus fort.

Timing & Distanzen

Timing & Distanzen als

My Way in Zahlen und Details.

Chart – Link zur Tabelle mit Angaben nach Tagen, Stunden und Kilometern

19.04.08 – Anreise nach St. Jean Pied de Port über Flughafen Hahn nach Biarritz, mit dem Bus zum Bahnhof in Bayonne, mit dem Zug nach St. Jean Pied de Port und nach dem „Einchecken“ im Pilgerbüro von St Jean hochgelaufen nach Honto. Am gleichen Nachmittag gehts weiter von St Jean nach Honto – 1½ Stunden, 6 km

20.04.08 – Honto > Roncesvalles – 6 Stunden 20 km

21.04.08 – Roncesvalles > Larrasoanna 7¼ 26,5 km

22.04.08 – Larrasoana > Cizur Menor > Obanos – 10 Stunden 36,1 km

23.04.08 – Obanos > Estella – 6¼ Stunden – 26,8 km

24.04.08 – Estella > Torres del Rio – 7 Stunden 29,5 km

25.04.08 – Torres del Rio > Navarette – 7¼ Stunden 34 km

26.04.08 – Navarette > Santo Domingo de la Calzada – 8½ Stunden 37 km

27.04.08 – Santo Domingo de la Calzada > Belorado – 5¼ Stunden 23,5 km

28.04.08 – Belorado > Arges – 7 Stunden 27 km

29.04.08 – Arges > Burgos – 6 Stunden 28 km

30.04.08 – Burgos > Hontanas – 7¼ 30,7 km

01.05.08 – Hontanas > Itero de la Vega – 5 Stunden 21 km

02.05.08 – Itero de la Vega > Villacazar de Sirga – 6½ Stunden 28 km

03.05.08 – Villacazar de Sirga > an diesem Tag trenne ich mich am Nachmittag von den „Bambergern“. Sie werden nur bis Leon laufen und dann über Santander zurückfliegen. Sie sind „ihrer Zeit voraus“ und werden das Tagespensum gering halten. Ich möchte meinen Schwung und Rhytmus beibehalten und laufe noch etwas weiter nach Terradillos de los Templarios – 8 Stunden 34 km – jetzt bin ich alleine. Kaum eingetroffen in Terradillos, in der ersten Herberge vor der Ortschaft, treffe ich wieder jemanden aus Bamberg. Es gibt wirklich viele… :-)

04.05.08 – Terradillos de los Templarios > Religios – 10 Stunden 45 km
Das erste Mal, dass ich Germán treffe. Ich frage ihn nach dem Weg zur Herberge. Der Tag war wirklich anstrengend, nicht nur weil es sehr lange und sehr weit war. Ich bin den „Umweg“ gelaufen um nicht in Sicht- und Hörweite zur Autobahn laufen zu müssen. Die alte Römerstrasse ist aber sehr anstrengend, die Landschaft monoton und weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Ich bin stundenlang richtig alleine auf weiter Feld und Flur.

05.05.08 – Religios > Leon – 5 Stunden 23,6 km – Germán treffe ich wieder als wir uns bei einer Bäckerei über den Weg laufen.

06.05.08 – Leon > Villar de Mazarife – 5 Stunden 24,3 km

07.05.08 – Villar de Mazarife > Astorga – 7 Stunden 31,1 km

08.05.08 – Astorga > Foncebadon – 6½ Stunden 27 km

09.05.08 -Foncebadon > Ponferrada – 6¾ Stunden 28,9 km
at Molinaseca: Met German again, walking together to Ponferrada, visiting the Castle of Ponferrada and having lunch/dinner together. Met Magnus again, he is still injured and has got problems with his feet.

10.05.08 – Ponferrada > Villafranca del Bierzo – 5 ¾ Stunden 26,5 km

11.05.08 – Villafranca del Bierzo > O Cebreiro – 7¼ Stunden 28 km

12.05.08 – O Cebreiro > Samos – 7¼ Stunden 31 km
went with German to the Service at the Benedictine Monastery

13.05.08 – Samos > De Ferreiros – 6½ Stunden 25 km

14.05.08 – De Ferreiros > Palas de Rei – 7½ Stunden 33 km

15.05.08 – Palas de Rei > Arzua – 7¼ Stunden 31 km

16.05.08 – Arzua > Pedrouzo – 5 Stunden 21 km

17.05.08 – Pedrouzo > Santiago de Compostela – 5¼ Stunden 21 km
started with German together walking to Santiago, had breakfast just close behind the city limits of Santiago. We arrived around 11.30 a.m., went to the Pilgrims Office to get our Compostela and than straight to the 12 o´clock Service

18.05.08 – Santiago de Compostela > Negreira – 6 Stunden 23,8 km
Left at Santiago at 2 p.m.

19.05.08 Negreira > Olveiroa – 8¼ Stunden 32,3 km
Treffe Rita aus Konstanz wieder. Sie lief von am Bodensee im März los, quer durch die Schweiz und Frankreich. Hut ab! Dies mit Anfang 60!!!

20.05.08 – Olveiroa > Finesterra – 7½ Stunden 31,1 km – Arrived at Finesterra Harbour at 2.30 p.m. – Checkin at the Refugio of the Junta de Galica at 5 p.m., went to the tower to enjoy the sundown.

21.05.08 – Finesterra > Santiago de Compostela – Palma de Mallorca – Nürnberg/Erlangen Bus Station close to the Refugio, 9 p.m. Bus to Santiago, Arrivial at Santiago at noon, Bus to the Airport at 3.30 p.m. Take-off at 6 p.m. to Palma de Mallorca, Transfer to Nuremberg, Take-off at 9 p.m. Arrival at Nuremberg Midnight.

Geh deinen Weg

Geh deinen Weg, wie ich den meinen, suche zu dem Ziel Mensch zu werden. Unterwegs,
begegnen wir der Wahrheit der Freiheit und uns selbst. Du und ich gehen den Weg…. 
Aufschrift an einer romanischen Kirche

Das Ende der Welt ist erreicht!

Finesterre - das Ende der Welt ist erreicht!

Ich bin ein Wanderer…

Ich bin ein Wanderer geworden! Das Warten und das Wandern sowie die Zeit haben eine andere Bedeutung erhalten. Ich muss nicht jeden Tag dasselbe tun, ich habe keine Aufgaben zu verrichten oder zu erledigen. Meine Zeit steht mir zur Verfügung, um nach Santiago zu gehen. Die Zeit bekommt eine andere Qualität. Es ist möglich, das Leben zu geniesen. Der Camino entscheidet alles. Er hat begonnen und wird niemals enden. Es ist eine Art unsichtbarer Motor, der die Wanderer vorwärts treibt, Tag für Tag immer wieder einen Fuss vor den anderen zu setzen. Der Camino ist wie das Leben. Freude, Ärger, Erlösung vom Schmerz,  Befreiung. Auf nach neuen Ufern mit neuen Zielen! Eine Phantasiewanderung genügt mir nicht mehr; ich brauche eine reale, echte Wanderung. Ich muss die Härte in meinem Inneren aufbrechen und muss das lange Schweigen wagen, in dem ich wandere, nach Santiago gehe.

Nirgendwo habe ich von der Trägheit des Schmerzes gelesen oder gehört. Es sind die kleinen Dinge, die zu einer Last geworden sind. Ich bin müde, sehr müde! Warum ist alles so schwerfällig geworden; diese grenzenlose Melancholie, die mich überkommt?
Leben…Dankbar, bewusst, friedvoll, und gelöst. So waren meine letzten Tage auf dem Camino. Das Leben ist im Begriff, neu zu beginnen.

Ich habe mal wo gelesen, dass am Anfang der Wanderung eine Verletzung steht, und der Wanderer nach neuen Wegen suchen wird, und diese auch heilen wird. Wer sich zu Fuss auf die Wanderung begibt, entscheidet sich, auf einem guten Weg ans Ziel zu gelangen. Seine Bewegung setzt ihn in Gang, „die nie wieder enden wird“.

Der Camino ist beim ersten Mal ein „echtes Fremdsein“, zu Fuss und allein und in tiefer Ehrfurcht vor den jeweils eigenen Orten, Zeiten und Rhythmen des Gehens. Ich fühle mich seit meiner Rückkehr, dass ich irgendwann ein zweite Mal den Camino gehen werden, mit anderen Augen, mit anderen Gefühlen und mit einer anderen Aufmerksamkeit. Ich könnte sofort wieder loslaufen, endlos weiterlaufen.

Germán´s Bilder

Germán, ein Mitwanderer aus Barcelona, den ich das erste Mal bewusst in Religios getroffen habe, als ich nach der Herberge gefragt habe, hat bereits ein Bild von uns beiden zufällig in Estella gemacht. Er ist fast zeitnah mit mir gelaufen, bis wir am frühen Morgen nach Religios einige Zeit miteinander in Richtung Leon gelaufen sind.

Hier seine Bilder seines Jakobswegs und wie er ihn gesehen hat…

breakfast in santiago, just arrived...but not finished yet!

breakfast in santiago, but not finished yet!

Bildergalerie 1
Bildergalerie 2

Germán schrieb mal in einer Mail zu den Unterschieden zwischen seinen und meinen Bilder: Er habe sich auf dem Jakobsweg fotographiert, ich hingegen habe sein Land fotographiert.

Danke Germán! Das hat mich sehr berührt und gefreut.