Die schwierigste Situation ist nach dem Ende des Jakobswegs, wenn ich wieder in den Alltag zurückkomme. Es hat nichts geändert, die Familie nicht, das berufliche und soziale Umfeld nicht. Gut, ich habe im Vorfeld der Wanderung es nicht an die grosse Glocke gehängt, dass ich mal für fast 5 Wochen weg bin, aber nach meiner Rückkehr zeigten nur wenige bis gar keine Menschen echtes Interesse nachzufragen oder hatten die Energie, den Willen, den Mut nachzufragen. Schon zweimal nicht sich die 1250 Bilder anzuschauen. Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. 1250 Bilder sind schon ziemlich langatmig, gebe ich offen zu. Habe ich auch nicht wirklich erwartet, von diesem hohen Ross habe ich nicht mal herabsteigen müssen, weil ich es nie bestiegen habe. Wozu auch…? Es ist auch schwer für meine Mitmenschen meine Beweggründe für diese Auszeit, diese Abschaltphase, dieses selbstgewählte Alleinsein zu verstehen. Einige Ansätze gaben zwar Diskussionsgrundlagen, aber nie ein wirkliches Gespräch. Da hatte ich auf dem Camino mit wildfremden Menschen tiefgehendere Gespräche als hier zuhause. Vielleicht liegt es auch daran, dass diese Art der Erfahrung schwer mitzuteilen ist und die Tatsache, dass sie über so eine lange Zeit wie fast 5 Wochen gemacht wurde – und noch darüber hinaus wirkt – und somit schwer vermittelbar ist.
Meinen Gedanken einige Freunde mit auf einen „halben Jakobsweg ab Leon nach Santiago“ 2009 mitzunehmen scheiterten aufgrund von Badrenovierungen, Angst laufen zu müssen, Angst schnarchende Bettnachbarn zu haben, Angst und Bedenken, nichts richtiges zu Essen zu bekommen, Angst vor so langen Zeit (keine zwei Wochen für 450 km) von zu Hause weg zu sein, Angst die Erlaubnis von seiner Lebensgefährtin nicht zu bekommen. Aber das macht alles nichts, denn der Jakobsweg ist jetzt 1000 Jahre da und sicherlich nochmal 1000 Jahre, somit habe ich alle Zeit der Welt zu warten, ob jemand mit gehen will oder nicht. Freuen würde ich mich in jedem Fall über den eine oder anderen Begleiter.
Es ist nicht einfach sich mit diesen Situationen abzufinden. Es ist und bleibt schwer nur einen kleinen Teil der Erfahrungen, Gedanken und Gefühle in den Alltag hinüber zu retten. Es hat sich in mir einiges geändert, was vielleicht nur ich erkenne, vielleicht andere auch, aber viele erkennen die Veränderungen nicht. So mein Gefühl.