Walker sind die reinste Plage. Erst kam die Pest, dann die Cholera, schließlich das Walking. Kein Laufwettbewerb mehr ohne diese Landplage. Dabei sehen Walker mit Startnummern aus wie Dreiräder mit Nummernschild. Inadäquat
Neulich habe ich zum ersten Mal Walker gesehen, die versucht haben zu laufen. Ungefähr 30 Meter, über einen Parkplatz. Es hatte begonnen zu regnen. Sie wollten nicht nass werden. Es sah etwas ungelenk aus. Walker sind Pechvögel. Als der liebe Gott den Menschen erschuf, unterteilte er ihn in drei Klassen. Die Guten waren jene, die aufrecht und ohne fremde Hilfe laufen konnten. Die weniger Guten erhielten einen Knüppel als Stütze und wurden Golfspieler. Der jämmerliche Rest bekam zwei Stöcke und schlurft seitdem als Nordic Walker durch die Grünflächen. Walker sind die Schöpfungsverlierer. Aber von Barbie gibt es ja auch Fehlpressungen.
Inzwischen lauern sie in der U-Bahn und selbst auf dem nächtlichen Heimweg. Zum Glück kann man ihnen ausweichen. Denn Walker sind alles, nur nicht schnell. Der erste Dopingfall beim Walking wird ein ungewöhnlich hoher Valiumwert in der A-Probe sein. Oder eine Betonfüllung im Schuh. Der Walker nimmt ja gern mal das Tempo raus.
Walking ist der Beweis für die Allmacht des Marketings und belegt zugleich die massiven mentalen Probleme von großen Teilen der Bevölkerung. Sie glauben bereitwillig jeden Mist, sogar, wenn eine seit Jahrmillionen selbstverständliche Fortbewegungsart zum Sport erklärt wird.
Dafür braucht man vier Zutaten. Erstens: eine Legende. Angeblich haben skandinavische Langläufer das Walken als Sommertraining für die wenigen schneefreien Wochen des Jahres erfunden. Würde sich ein ernsthafter Langläufer auch nur einen Monat lang fortbewegen wie der deutsche Durchschnittswalker, bräuchte er sich bei keinem Rennen mehr blicken zu lassen. Zweitens: die kühne Behauptung, man nehme ab oder werde fit, unterfüttert vom Mythos der Fettverbrennung. Warum nur sind Walker dann langsam und moppelig? Klar: Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft, Walker futtert. Drittens: professionell aussehende Ausrüstung. Nur was Geld kostet und blinkt, kann gut sein. Also werden Alurohre für wenige Cent zum Turbostock aufgespritzt. Viertens: immer lecker was dabei. Dafür gibt es den Trink- und Verpflegungsgürtel, der den Inhalt eines guten halben deutschen Kühlschranks aufnimmt und in anderen Kulturen einer Großfamilie ein mehrwöchiges Auskommen garantieren würde. Aber weil man ja so viel Fett verbrennt, nimmt man unterwegs sicherheitshalber ein paar Kalorien auf. Unterzuckerung ist das Trauma jedes Walkers. Im wahrsten Sinne ein Breitensport.
Was kommt als nächstes? Aus welcher Alltagsbeschäftigung lässt sich noch die Illusion von Sport machen? „Dutch Staubsauging“ vielleicht. Die Athleten könnten hinter den Walkern saubermachen, Eispapier und Kuchenkrümel aufsaugen und den Strom dafür durch einen Schuhgenerator erzeugen. Technologisch anspruchsvoll. Oder „Scottish Schaukelstuhling“. Hätte den Vorteil, dass man die Wohnung gar nicht mehr verlassen muss. Ein zusammenklappbarer Sportschaukelstuhl (Einführungssonderpreis 1499 Euro) könnte zum unentbehrlichen Begleiter werden.
Besser noch wären „Latin Lying“ und „Cuban Couching“. Die Dösmatte aus Spezialaktivfunktionsfaser gibt es auf Hanfbasis oder aber zum Aufblasen für die anspruchsvolle neue Disziplin „Baltic Blowing“. Dabei haben Sportwissenschaftler der Universität Letmathe festgestellt, wird die Fettverbrennung angekurbelt wie höchstens noch beim „Western Standing“. Da bliebe die Ausrüstungsfrage. Vielleicht ein „Standpoint“ mit Gelfederung, der die massiven Belastungen für die Gelenke etwas reduziert. „Western Standing“ lässt sich bei jedem McDonalds-Besuch in der Schlange trainieren und hinterher kombinieren mit „Chinese Shakeholding“ in den Gewichtsklassen Schoko, Erdbeer oder Vanille.
Wie nur kann man diesem Walkwahn Einhalt gebieten? Quelle…