Schlagwort: Santiago
Germán wrote…
Germán schrieb mir heute, 19. Mai 2009, die nachstehende Mail, nicht nur mir, sondern auch einige Menschen, die er während seiner Wanderung auf dem Camino Frances getroffen hat. Meine lange und ausführliche Mail über meine aktuellen Gedanken, was in mir vorgeht, als ich seine Mail gelesen habe, dass mir das Wasser in den Augen stand, erspare ich an dieser Stelle :-) In weniger als zwei Stunden fahre ich einen Freund zum Flughafen Nürnberg, den ich fast 8 Jahre nicht gesehen habe. Vor 5 – 6 Wochen hat er mich kontaktiert, weil er gesehen/gelesen hat, dass ich 2008 den Jakobsweg gegangen bin. Seitdem haben wir gemeinsam viel Stunden verbracht Ausrüstung zu sondieren, Rucksack auszuwählen, Schuhe einzulaufen und mit Reden, Reden, Reden… Er wird Höhen und Tiefen in den nächsten 6 bis 8 Wochen erleben, manchmal sicherlich die Wanderei verfluchen, doch überwiegend wird er es geniesen, aus seinem Alltagstrott herauszukommen, die Weite geniesen und neue Menschen, neue Ansichten und neue Bewegründe kennenlernen. Ich beneide ihn ein wenig, doch meine Zeit wird kommen…
quote Germáns Mail…
Dear friends,
unquote
Wandertage 2009
Die nachstehende SMS ungefiltert und ohne Erlaubnis ihres Absenders, hat mich am 4.5.09 gegen 22.20 Uhr erreicht.
hi, eigentlich wollte ich Dir eine lange E-Mail über Deinen Sinn & Bewegrund einer erneuten Pilgerreise schreiben – als Entscheidungs-Krücke ..fix nochmal – die Zeit vergeht, mein Freund! Es gäbe so viel zu sagen – soviel – es geht nicht um den Weg, die Route, die Stationen – wobei ein vertrauter Weg mehr Raum für innere Reflektionen läßt! Doch eigentlich geht es um Zeit & Raum für Dich mit so wenig vertrauten & belasteten Einflüßen wie möglich – suche und finde den Dialog mit DIR selbst – nur darum geht es – um Dich! Klingt einfach – ist es nicht! Gehe den Weg so oft – bis Du das Ziel, Dich selbst zu finden, Dich selbst zu erkennen, erreichst! Doch vergeude den Weg & Deine Zeit nicht damit, vor Dir selbst davon zu laufen – nähere Dich Dir mit jedem Schritt – damit ist der Weg egal ;-) Dein Freund, A….
Heute habe ich von einem anderen Freund erfahren, dass ein gemeinsamer Geschäftspartner von uns, letzten Montag, 4.5., verstorben ist. Gerade mal 45 Jahre jung. Er war vor 3 Wochen bei uns, anschliessend bei den Kollegen in München, da er mit seinen beiden Kindern (11/16) zum Gardasee fuhr.
Diese Nachricht hatte noch folgendes zum Inhalt: Denkt dran: das Leben kann ein Kurzes sein! In dem Sinne: bleibt gesund und passt auf Euch auf! Grüsse, M….
Und was hat dies alles mit „Wandertage 2009“ zu tun?
Vieles und einiges! Die 3 aus Bamberg ziehen am kommenden Wochenende über Hahn, Santander nach Leon. Ich wünsch´ euch von ganzem Herzen alles erdenklich Gute! Auf nach Santiago!
Am 19. Mai wird wieder jemand aus meinem Freundeskreis nach Spanien fliegen. Er wird von St Jean aus starten, hat 4 bis 8 Wochen Zeit. Nimm sie Dir! Nutze die Zeit! Wie gerne würde ich mitkommen und komm nicht weg. Nicht diese lange Zeit.
Meine Wandertage werden kommen, so oder so! Die Bücher sind gekauft, gelesen und verstanden. Die Gedanken drehen sich darum, der Mut und der Wille ist da, es wieder zu tun. Ich freue mich darauf!
Wanderstatistik
Die aktuelle Statistik befindet sich bei der Quelle: Wikipedia…klick hier…
Santiago Catedral Museo
Die Besichtung und Führung über die Dächer der Kathedrale kostet zwar 8 Euro und ist in fliessend Spanisch ohne ein Wort Englisch oder Deutsch gehalten, aber sein Geld wert. Super Aussichten. Hier meine Eintrittskarte…weil wichtig wegen Reservierung. Ohne Germán hätte das mit Sicherheit nicht geklappt. Fängt immer so roundabout 11.30 Uhr an und dauert ca. 2 Stunden. Anschliessend habe ich meinen Rucksack geholt, mich von Germán verabschiedet, der am gleichen Abend noch nach Barcelona geflogen ist und bin Richtung Ende der Welt gelaufen.
in Wirklichkeit
In Wirklichkeit möchte ich all das festhalten, was im Inneren getragen wird: diesen tiefen und geheimnisvollen Frieden, den ich zu glauben spüre, der hier alles und jeden zu durchdringen versucht, den mir dieser Camino offenbar schenkt. Ein Friede, in den die Geduld eingewoben ist, die das tägliche Unterwegssein lehrt und die Hoffnung, in Santiago anzukommen. Geduld und Hoffnung, laß ich mal irgendwo, lassen alle Mühe und Schwierigkeiten ertragen. Die Hoffnung in Santiago anzukommen war immer da, unauslöschlich. Die Gewissheit die Stadt zu erreichen war immer da und ab und an gab es Zweifel, aber nie Aufgabe oder Resignation.
Mein Weg eine Flucht…
Mein „Weg“ ähnelt einer Flucht. Der Camino ist auch vielleicht aus diesem unbestimmten, aber zwingenden Bedürfnis heraus entstanden: dem Befürfnis aufzubrechen, loszulassen, ein neues Kapitel aufzuschlagen, indem ich weit weggehe, an einen Ort, wo mich niemand kennt und wo ich die Möglichkeit habe, an nichts und niemanden zu denken, niemanden und über nichts Rechenschaft zu geben. Immer wieder passiert es, dass ich mich müde und fremd fühle, aber unerklärlich glücklich. Nicht friedlich oder zufrieden, ein Stück weit ab und an auch, aber täglich mehr werdend: glücklich. Das Neue und Unverhoffte täglich zu entdecken ist spannend. Eine Herausforderung, immer, jede wache Minute. Schön spannend.
Hinter jeder Kurve hat die Natur ein anderes Gesicht. Ich spüre das Gefühl der Dankbarkeit: „All dies ist für mich.“ Alles was ich sehe, was ich spüre, was ich rieche, habe ich nicht gemacht, aber ich bekomme es geschenkt. Ich gehöre dazu, wir alle gehören dazu.
Eine schöne Reise; wenn sie zu Ende geht, ist nichts mehr wie es mal war.
frei nach Schillers Weltreise „ein schöner Tag“
Der Camino besteht aus Begegnungen. Auf dem Camino ist die Stille nicht länger eine dunkle und unangenehme Leere, die gewaltsam mit irgend etwas gefüllt werden muss. Die Stille ist zu einer Art Teppich geworden, auf dem man sich bewegt. Einen Großteil der Zeit verbringe ich schweigend. Teilweise ist der Weg anstrengend, dass er keine Gespräch duldet, mit denen man nur seinen Atem verschwendet. Die Dialoge finden im Inneren statt, Gedankenkunststücke ohne roten Faden, ohne Schlussfolgerungen. Vermutlich die Folge des Schweigens, dass dieses innere Plappern hervorbringt. Strapazen des Weges werden davon abgestoßen…
Nie werden die Augen satt, wenn es beobachtet, wie Blumen, Felder und Hügel, Licht, Menschen und Ortschaften kommen und gehen. Ein Sehen, das niemals langweilig wird. Als ob der Geist langsam wieder zu Atem käme. All dies fliesst ein in den langsamen Rhythmus der Schritte und gehört schliesslich mir.
Timing & Distanzen
Timing & Distanzen als
Chart – Link zur Tabelle mit Angaben nach Tagen, Stunden und Kilometern
19.04.08 – Anreise nach St. Jean Pied de Port über Flughafen Hahn nach Biarritz, mit dem Bus zum Bahnhof in Bayonne, mit dem Zug nach St. Jean Pied de Port und nach dem „Einchecken“ im Pilgerbüro von St Jean hochgelaufen nach Honto. Am gleichen Nachmittag gehts weiter von St Jean nach Honto – 1½ Stunden, 6 km
20.04.08 – Honto > Roncesvalles – 6 Stunden 20 km
21.04.08 – Roncesvalles > Larrasoanna 7¼ 26,5 km
22.04.08 – Larrasoana > Cizur Menor > Obanos – 10 Stunden 36,1 km
23.04.08 – Obanos > Estella – 6¼ Stunden – 26,8 km
24.04.08 – Estella > Torres del Rio – 7 Stunden 29,5 km
25.04.08 – Torres del Rio > Navarette – 7¼ Stunden 34 km
26.04.08 – Navarette > Santo Domingo de la Calzada – 8½ Stunden 37 km
27.04.08 – Santo Domingo de la Calzada > Belorado – 5¼ Stunden 23,5 km
28.04.08 – Belorado > Arges – 7 Stunden 27 km
29.04.08 – Arges > Burgos – 6 Stunden 28 km
30.04.08 – Burgos > Hontanas – 7¼ 30,7 km
01.05.08 – Hontanas > Itero de la Vega – 5 Stunden 21 km
02.05.08 – Itero de la Vega > Villacazar de Sirga – 6½ Stunden 28 km
03.05.08 – Villacazar de Sirga > an diesem Tag trenne ich mich am Nachmittag von den „Bambergern“. Sie werden nur bis Leon laufen und dann über Santander zurückfliegen. Sie sind „ihrer Zeit voraus“ und werden das Tagespensum gering halten. Ich möchte meinen Schwung und Rhytmus beibehalten und laufe noch etwas weiter nach Terradillos de los Templarios – 8 Stunden 34 km – jetzt bin ich alleine. Kaum eingetroffen in Terradillos, in der ersten Herberge vor der Ortschaft, treffe ich wieder jemanden aus Bamberg. Es gibt wirklich viele… :-)
04.05.08 – Terradillos de los Templarios > Religios – 10 Stunden 45 km
Das erste Mal, dass ich Germán treffe. Ich frage ihn nach dem Weg zur Herberge. Der Tag war wirklich anstrengend, nicht nur weil es sehr lange und sehr weit war. Ich bin den „Umweg“ gelaufen um nicht in Sicht- und Hörweite zur Autobahn laufen zu müssen. Die alte Römerstrasse ist aber sehr anstrengend, die Landschaft monoton und weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Ich bin stundenlang richtig alleine auf weiter Feld und Flur.
05.05.08 – Religios > Leon – 5 Stunden 23,6 km – Germán treffe ich wieder als wir uns bei einer Bäckerei über den Weg laufen.
06.05.08 – Leon > Villar de Mazarife – 5 Stunden 24,3 km
07.05.08 – Villar de Mazarife > Astorga – 7 Stunden 31,1 km
08.05.08 – Astorga > Foncebadon – 6½ Stunden 27 km
09.05.08 -Foncebadon > Ponferrada – 6¾ Stunden 28,9 km
at Molinaseca: Met German again, walking together to Ponferrada, visiting the Castle of Ponferrada and having lunch/dinner together. Met Magnus again, he is still injured and has got problems with his feet.
10.05.08 – Ponferrada > Villafranca del Bierzo – 5 ¾ Stunden 26,5 km
11.05.08 – Villafranca del Bierzo > O Cebreiro – 7¼ Stunden 28 km
12.05.08 – O Cebreiro > Samos – 7¼ Stunden 31 km
went with German to the Service at the Benedictine Monastery
13.05.08 – Samos > De Ferreiros – 6½ Stunden 25 km
14.05.08 – De Ferreiros > Palas de Rei – 7½ Stunden 33 km
15.05.08 – Palas de Rei > Arzua – 7¼ Stunden 31 km
16.05.08 – Arzua > Pedrouzo – 5 Stunden 21 km
17.05.08 – Pedrouzo > Santiago de Compostela – 5¼ Stunden 21 km
started with German together walking to Santiago, had breakfast just close behind the city limits of Santiago. We arrived around 11.30 a.m., went to the Pilgrims Office to get our Compostela and than straight to the 12 o´clock Service
18.05.08 – Santiago de Compostela > Negreira – 6 Stunden 23,8 km
Left at Santiago at 2 p.m.
19.05.08 Negreira > Olveiroa – 8¼ Stunden 32,3 km
Treffe Rita aus Konstanz wieder. Sie lief von am Bodensee im März los, quer durch die Schweiz und Frankreich. Hut ab! Dies mit Anfang 60!!!
20.05.08 – Olveiroa > Finesterra – 7½ Stunden 31,1 km – Arrived at Finesterra Harbour at 2.30 p.m. – Checkin at the Refugio of the Junta de Galica at 5 p.m., went to the tower to enjoy the sundown.
21.05.08 – Finesterra > Santiago de Compostela – Palma de Mallorca – Nürnberg/Erlangen Bus Station close to the Refugio, 9 p.m. Bus to Santiago, Arrivial at Santiago at noon, Bus to the Airport at 3.30 p.m. Take-off at 6 p.m. to Palma de Mallorca, Transfer to Nuremberg, Take-off at 9 p.m. Arrival at Nuremberg Midnight.
Ich bin ein Wanderer…
Ich bin ein Wanderer geworden! Das Warten und das Wandern sowie die Zeit haben eine andere Bedeutung erhalten. Ich muss nicht jeden Tag dasselbe tun, ich habe keine Aufgaben zu verrichten oder zu erledigen. Meine Zeit steht mir zur Verfügung, um nach Santiago zu gehen. Die Zeit bekommt eine andere Qualität. Es ist möglich, das Leben zu geniesen. Der Camino entscheidet alles. Er hat begonnen und wird niemals enden. Es ist eine Art unsichtbarer Motor, der die Wanderer vorwärts treibt, Tag für Tag immer wieder einen Fuss vor den anderen zu setzen. Der Camino ist wie das Leben. Freude, Ärger, Erlösung vom Schmerz, Befreiung. Auf nach neuen Ufern mit neuen Zielen! Eine Phantasiewanderung genügt mir nicht mehr; ich brauche eine reale, echte Wanderung. Ich muss die Härte in meinem Inneren aufbrechen und muss das lange Schweigen wagen, in dem ich wandere, nach Santiago gehe.
Nirgendwo habe ich von der Trägheit des Schmerzes gelesen oder gehört. Es sind die kleinen Dinge, die zu einer Last geworden sind. Ich bin müde, sehr müde! Warum ist alles so schwerfällig geworden; diese grenzenlose Melancholie, die mich überkommt?
Leben…Dankbar, bewusst, friedvoll, und gelöst. So waren meine letzten Tage auf dem Camino. Das Leben ist im Begriff, neu zu beginnen.
Ich habe mal wo gelesen, dass am Anfang der Wanderung eine Verletzung steht, und der Wanderer nach neuen Wegen suchen wird, und diese auch heilen wird. Wer sich zu Fuss auf die Wanderung begibt, entscheidet sich, auf einem guten Weg ans Ziel zu gelangen. Seine Bewegung setzt ihn in Gang, „die nie wieder enden wird“.
Der Camino ist beim ersten Mal ein „echtes Fremdsein“, zu Fuss und allein und in tiefer Ehrfurcht vor den jeweils eigenen Orten, Zeiten und Rhythmen des Gehens. Ich fühle mich seit meiner Rückkehr, dass ich irgendwann ein zweite Mal den Camino gehen werden, mit anderen Augen, mit anderen Gefühlen und mit einer anderen Aufmerksamkeit. Ich könnte sofort wieder loslaufen, endlos weiterlaufen.