Telefonieren

Nächstes Jahr wird endlich das Telefonieren verboten.
Immer öfter ist die Rede davon, dass das Telefongespräch ausstirbt. Scharenweise
bekennen sich Menschen dazu, nur noch SMS zu schreiben oder sich mit Klopfzeichen
zu verständigen, weil ihnen das als eine weit diskretere Art des Umgangs
miteinander erscheint. Ein Anruf, so heißt es, platze ungefähr so ins Leben anderer
hinein wie der dreiste Cousin mit seiner fünfköpfigen Familie, der unangemeldet
vor unserer Haustüre steht und auf Bewirtung spekuliert.
Noch fallt es schwer, an das Ende des Telefons zu glauben. Trifft man doch ständig
auf Bekannte, die bei einer Begegnung als Erstes ihre drei Handys vor sich auf den
Tisch legen, welche dann den ganzen Abend lang wie die Pfeifen der Heldenorgel
zu Kufstein abwechselnd erklingeln.
Die vielköpfige Handy-Brut bettelt um Aufmerksamkeit. Und kann man denn
wirklich böse sein, wenn ein Freund in zwei Stunden fünfmal dringend telefonieren
muss? Aber die Rettung ist nahe. Die Europäische Union hat herausgefunden,
dass das unfreiwillige Mithören von Telefongesprächen zu gesundheitlichen
Schäden führen kann. Deswegen wird das Telefonieren zum 1. Januar
nächsten Jahres verboten. Zunächst mal in allen öffentlichen Einrichtungen und in
Restaurants. In Eckkneipen darf weiterhin telefoniert werden, wenn dort keine
warmen Speisen serviert werden und sämtliche Bedienungen bereits die Rente mit
67 beziehen.
Auf den wenigen verbleibenden Handys werden Warnhinweise angebracht („Telefonieren
macht sehr schnell abhängig: Fangen Sie gar nicht erst an! “, „Schützen Sie
Ihre Kinder — telefonieren Sie nicht in ihrer Gegenwart“).
Weil man die Abhängigen langsam entwöhnen muss, werden im Freien spezielle
Glaskästen errichtet, in denen Volljährige ihrer Sucht nachgehen dürfen. Diese in
jahrelanger Forschung von der NASA entwickelten Einrichtungen will man „Telefonzellen“
nennen.